Die Akutchirurgie ist als Begriff nicht eigenständig definiert. Es lassen sich hierunter aber sowohl die Versorgung von akuten abdominellen Erkrankungsbildern (z.B. akute Appendizitis, mechanischer Ileus, Gallenblasenperforation), der bimalleolären OSG-Luxationsfraktur oder aber auch der akuten Gefäßverletzung verstehen. Krankheitsbilder also, die eine rasche und zeitnahe chirurgische Erstversorgung erfordern. Bislang wurden derartige Operationen in Deutschland flächendeckend von Fachärzten für Chirurgie sowohl in Kliniken der Maximalversorgung aber auch in den Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung auf einem hohen fachlichen und wissenschaftlich fundierten Niveau versorgt. Die Nachwuchsproblematik im Fachgebiet, die Umstellung der WBO, sowie die zunehmende Spezialisierung und Subspezialisierung in den chirurgischen Fachdisziplinen führen allerdings dazu, dass diese Versorgung in der Fläche in nicht allzu ferner Zukunft gefährdet erscheint. Es ist schon aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen nicht zu erwarten, das im Bereich der flächendeckenden Grund- und Regelversorgung alle Häuser in der BRD künftig auch Nachts und am Wochenende komplett geteilte Dienstgruppen für Allgemeinchirurgie bzw. Orthopädie/Unfallchirurgie vorhalten werden.
In den USA sind diese Entwicklungen bereits weiter fortgeschritten und die Problematik der chirurgischen Akutversorgung ist im Alltag angekommen. Daher hat man dort ein Weiterbildungscurriculum, ähnlich einer Zusatzbezeichnung nach deutscher Weiterbildungsordnung, zur „Acute Care Surgery“ (www.aast.org) eingeführt und versucht damit, dem Trend der lukrativen Spezialisierung entgegenzuwirken. Jungen Kolleginnen und Kollegen soll hier sowohl eine breite chirurgische Basis, als auch die Freude und den Spaß an diesem chirurgischen Gebiet vermittelt werden. Konsequenterweise wurde diese Art der chirurgischen Versorgung in den USA auch im Sinne der finanziellen Honorierung deutlich aufgewertet und gegenüber anderen Bereichen angepasst. Somit wird das Bemühen um komplexe und akut erkrankte Patienten mit hohem persönlichem Einsatz „auch außerhalb der regulären Geschäftszeiten“ entsprechend gewürdigt. Der oft zitierte Vergleich mit dem Zehnkämpfer als König der Leichtathleten darf hier angeführt werden. Derjenige, der bereit ist, den chirurgischen Mehrkampf unter den oben skizzierten Bedingungen zu betreiben, darf nicht weniger gewürdigt und entlohnt werden wie ein Spezialist.
Vor diesem Hintergrund ist es Ziel der Generalisten darauf hinzuwirken, eine entsprechende Weiterbildung für junge Kolleginnen und Kollegen in dieser Ausrichtung attraktiv zu gestalten. Die aktuellen Diskussionen um die anstehende Änderung der Weiterbildungsordnung muß aktiv begleitet werden, damit diesbezüglich künftig Rahmenbedingungen entstehen, bzw. wiederbelebt werden, um künftige „chirurgische Mehrkämpfer“ auszubilden. Auch hinsichtlich der Politik und den Kostenträgern soll die Problematik der künftigen chirurgischen Akutversorgung thematisiert und bekannt gemacht werden.